Politik nimmt Filmbranche den Online-Markt

Ministerpräsidentenkonferenz beschließt Ausweitung der Mediatheken - zulasten der audiovisuellen Kultur- und Kreativwirtschaft


Berlin, 14.06.2018

Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder haben auf Druck der öffentlich-rechtlichen Sender in ihrer heutigen Sitzung eine Novellierung des Telemedienauftrags beschlossen. ARD und ZDF sollen Spiel- und Dokumentarfilme sowie Fernsehserien künftig zeitlich weitgehend unbegrenzt in ihren Mediatheken und auf kommerziellen Plattformen wie YouTube oder Facebook anbieten können. „Wir sind fassungslos, dass die Politik die Bedenken der audiovisuellen Kultur- und Kreativwirtschaft komplett ignoriert und bis auf das Verbot der Presseähnlichkeit ausschließlich Interessen der Sendeanstalten bedient hat“, so Alfred Holighaus, Präsident der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft. „Dabei steht die Filmbranche vor der gleichen Herausforderung wie die freie Presse: Nur wenn sich Inhalte über eine digitale Auswertung refinanzieren lassen, können wir eine vielfältige und kreative Medienlandschaft garantieren.“

Die neuen Regelungen sehen vor, dass Sendeanstalten noch umfassender als bisher über die Verweildauern von Filmen und Serien im Netz selbst bestimmen können – unabhängig davon, ob sie diese Werke vollständig finanziert haben. Auch angekaufte europäische Produktionen dürfen bis zu 30 Tage nach ihrer Ausstrahlung online zur Verfügung gestellt werden. Allein für nicht-europäische, namentlich amerikanische Lizenzware besteht nach wie vor ein komplettes Mediatheken-Verbot.

„Deutsche und europäische Produktionen werden damit einer ungleichen Wettbewerbssituation ausgesetzt“, so Holighaus. „Schon heute erleben wir, dass Filme umso mehr an Attraktivität und Wert für kommerzielle Medienanbieter verlieren, je länger sie unentgeltlich im Netz stehen. Die Ausweitung der Mediatheken verbaut der mittelständischen Filmwirtschaft regelrecht den Zugang zum Online-Markt.“ Für Dokumentarfilmer wird das zu einem geradezu existenziellen Problem. „Die meisten dokumentarischen Sendungen im deutschen Fernsehen werden von den Sendern nur zum Teil bezahlt. Der Beschluss verbaut uns die Möglichkeit, das Geld, das wir selbst in die Projekte stecken, jemals zurück zu bekommen“, so Thomas Frickel, Vorsitzender der AG Dokumentarfilm.

Urheber und ihre Partner beklagen außerdem, dass sie für die ausgeweiteten digitalen Nutzungsmöglichkeiten ihrer Inhalte nicht angemessen vergütet werden. Der rituelle Hinweis auf angemessene Vergütung sei, so Frickel weiter, bloße Augenwischerei. „Es gibt für diese Nutzungen doch schon heute keine angemessene Vergütung. Das einzige, was es gibt, ist die beharrliche Verweigerung der Sender und ein Wegducken der meisten verantwortlichen Politiker.“ Stephan Wagner, Vorstandsmitglied beim Bundesverband Regie, stellt klar: „Wenn es weiterhin kreative Inhalte geben soll, kann sich ab sofort kein Urheber mehr auf Vereinbarungen einlassen, die das unbegrenzte Verweilen seiner Werke in den Mediatheken nicht angemessen vergüten. Wir werden diesem Paradigmenwechsel in den Verhandlungen über Gemeinsame Vergütungsregeln mit den Sendern nochmals radikal begegnen.“ Jan Herchenröder, Geschäftsführer Verband Deutschen Drehbuchautoren, stimmt dieser Einschätzung zu: „Die Sender, die öffentlich ihre Existenz von der Öffnung der Mediatheken abhängig machen, bagatellisieren die Online-Nutzung, wenn es um die Frage der Vergütung oder Refinanzierung geht. Die Risiken der zu erwartenden Entwicklungsdynamik in diesem Bereich tragen die Urheber und Rechteinhaber.“

Die Novelle des Telemedienauftrags muss noch von den 16 Länderparlamenten bestätigt werden, bevor sie in Kraft treten kann.

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Die Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm e.V. ist mit über 800 Mitgliedern Deutschlands größter Filmverband. Filmschaffende aller Professionen und Sparten wie RegisseurInnen, ProduzentInnen, AutorInnen, EditorInnen, Ton- und Kameraleute sind in der AG DOK organisiert.
 
Der Bundesverband Regie e.V. (BVR) ist der Berufsverband der Film- und Fernsehregisseure. Er wurde 1975 gegründet und hat mehr als 800 Mitglieder. Er ist einer der ältesten und größten Filmurheberverbände. Zu seinen Mitgliedern zählen Volker Schlöndorff (Ehrenpräsident), Peter Carpentier (gf. Vorstand), Katarina Schickling (gf. Vorstand), Marie Noelle Sehr (gf. Vorstand), Stephan Wagner (Vorstand) sowie Istvan Szabo, Stefan Ruzowitzky, Peter Lilienthal, Margarethe von Trotta, Bully Herbig, Til Schweiger u.v.a.

Die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V. (SPIO) vertritt die Interessen der deutschen Film- und Videowirtschaft in den Sparten Filmproduktion, Filmverleih, Filmtheater und Audiovisuelle Medien. Als Dachverband von 20 Berufsverbänden repräsentiert sie mehr als 1.100 Mitgliedsfirmen und eine Vielzahl von Einzelpersonen der Filmwirtschaft. Ziel der SPIO ist es, den deutschen Film in seiner Vielfalt, Qualität und internationalen Wahrnehmung zu stärken und seine Wettbewerbsfähigkeit als Wirtschafts- und Kulturgut zu sichern.

Der Verband Deutscher Drehbuchautoren e.V. (VDD) hat circa 500 Mitglieder und organisiert damit mindestens die Hälfte der in Deutschland professionell aktiven Drehbuchautoren. Die von ihm vertretene Berufsgruppe legt den Grundstein für über 100.000 Minuten auf Drehbüchern basierende Fiktion, die jährlich in Deutschland produziert werden.

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Kontakt für Presseanfragen:
Carolin Lindenmaier, Politische Referentin, Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V.
Telefon: 030/24630052, E-Mail: Carolin Lindenmaier



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