Es geht an die Substanz! Massenhafter Diebstahl darf nicht toleriert werden

Empirische Studie zur Kinofilmpiraterie - Dringender Änderungsbedarf beim Regierungsentwurf zum Urh


Wiesbaden, 09.04.2003

Die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft und film20 haben zu dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Regelung des Urheberechts in der Informationsgesellschaft im Dezember 2002 eine umfangreiche Stellungnahme vorgelegt.* In dieser Stellungnahme haben wir auf die existentielle Bedrohung durch die digitale Piraterie für die gesamte Kino- und Videowirtschaft hingewiesen.

Neue Zahlen aus einer
Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) belegen eindrucksvoll das Ausmaß dieser Bedrohung. Die Studie über das Downloaden von Inhalten aus dem Internet und über das Brennen von Inhalten auf die CD’s/DVD’s wurde gemeinsam von der Filmförderungsanstalt in Berlin (FFA) und der Musikwirtschaft in Auftrag gegeben. Cirka 10.000 Probanden wurden im Februar 2003 nach ihrem Verhalten im Jahr 2002 befragt.

Situation der Musikwirtschaft
Die Musikwirtschaft leidet extrem unter den Folgen der digitalen Piraterie. Bereits im dritten Jahr in Folge muß die Musikwirtschaft mit zweistelligen Umsatzrückgängen leben. Tausende von Arbeitsplätzen wurden bereits vernichtet, weitere stehen zur Disposition.

* Der Verband Deutscher Spielfilmproduzenten trägt als einziger Verband der Filmwirtschaftsverbände diese Stellungnahme nicht mit.


Existentielle Bedrohung für die Filmwirtschaft
Die Folgen der digitalen Piraterie für die Film- und Videowirtschaft werden ohne entsprechende rechtliche Regelungen noch gravierender sein. Kino- und Videowirtschaft verlieren derzeit ihre Exklusivität und damit einen Großteil ihrer potentiellen Besucher und Käufer.

Aktuelle Kinofilmraubkopien zum Downloaden im Netz und das anschließende Brennen führen zu einer Verhaltensänderung bei Kinogängern und Videokäufern. Die illegalen Gratisangebote werden genutzt, auf die legalen Angebote wird verzichtet.


Download von Filmen
Bis vor 1-2 Jahren waren private digitale Kopien von Filmen unbekannt. Private Vervielfältigung fand im wesentlichen durch Videorekorderaufnahmen von TV-Sendungen statt. Diese privaten Vervielfältigungen hatten aber keine gravierenden Auswirkungen auf die Kino- und Videoauswertung, weil die Ausstrahlung der Filme im Fernsehen erst 1 1/2 bis 2 Jahre nach dem Kinostart in Deutschland erfolgt.

Die neuen Möglichkeiten der digitalen Datenübermittlung, die zunehmende Haushaltsausstattung mit CD-Brennern sowie neue Hard- und Softwarekomponenten in PC’s führen zu einer doppelten Bedrohung. Dank schneller Datenleitung wie DSL und neuer Komprimierungsverfahren ist mittlerweile der Download von Filmen zu einem Massenphänomen geworden.

Ein aktuelles Beispiel: In der GfK-Studie werden auch Titel von aktuellen Kinofilmen abgefragt, so auch „Anatomie 2“, der im Februar 2003 gestartet wurde. 52 % der Befragten, die diesen Film heruntergeladen haben, gaben an, dass sie den Film vor Kinostart in Deutschland gedownloadet hatten. Dies ist der mit Abstand höchste Wert von allen genannten Filmen.

„Anatomie 2“ hatte ca. insgesamt 800.000 Besucher, „Anatomie“, der Vorläufer und erste Teil kam auf 1,9 Mio. Besucher. Dieser drastische Rückgang ist wohl im wesentlichen auf die zahlreichen Raubkopien im Netz zurückzuführen. Mittlerweile hat die Produzentin des Films ihre Produktionstätigkeit in Deutschland eingestellt.

Alle Kinofilmangebote im Internet sind illegal – und der Verbraucher weiß das. Diese Filme wurden entweder in Filmtheatern abgefilmt oder bereits vorher in filmtechnischen Betrieben durch illegalen Mitschnitt gestohlen.

Die GfK-Studie berichtet, dass 3,8% der Befragten im Jahr 2002 Spielfilme aus dem Internet heruntergeladen haben. (Die Grundgesamtheit setzt sich aus 63,2 Mio. Deutschen ab 10 Jahren zusammen. 3,8 % entsprechen einem Personenkreis von 2,4 Mio. Menschen.) Dieser Personenkreis hat ca. 15,5 Mio. illegale Filmdownloads vorgenommen. Im Schnitt wurden von jeder Person sechs Filme gestohlen.

Den Befragten ist durchaus bewußt, daß Kinofilme zeitlich gestaffelt ausgewertet werden. 27,2 % der Downloader geben an, daß sie den Film vor dem Kinostart in Deutschland aus dem Netz heruntergeladen haben, 46,6 % geben an, daß sie den Film nach dem Kinostart, jedoch vor der Videoauswertung aus dem Netz heruntergeladen haben. 24,9 % geben an, daß sie den Film nach der Videoauswertung aus dem Netz geladen haben. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, daß weniger als 6 % der Befragten angeben, daß sie nicht wissen, wann die einzelnen Auswertungsstufen stattfinden.

Vor diesem Hintergrund fordern wir eine schnelle Hilfe des Gesetzgebers. Es darf nicht hingenommen werden, daß Diebe illegal besorgte aktuelle Kinofilme zum massenhaften Downloaden ins Netz stellen, die Rechteinhaber von der Bundesregierung aber auf quälend langsame Rechtsmittel, wie gerichtliche Anordnung verwiesen werden.
Deshalb muß ein selbständiger Auskunfts- und Unterlassungsanspruch der Rechteinhaber gegen Vermittler im Sinne des Artikel 8, Abs. 3 der Richtlinien ins Urheberrecht aufgenommen werden.


Brennen von Kinofilmen
Die GfK-Studie gibt auch Auskunft darüber, welche Inhalte auf CD gebrannt werden. Man kann davon ausgehen, dass im Jahr 2002 515 Mio. CD Rohlinge mit Inhalten bespielt wurden. 59 Mio. dieser Rohlinge wurden mit Kinofilmen und Spielfilmen bespielt. Damit ist der Kinofilm innerhalb kürzester Zeit nach der Musik die Produktgattung mit der höchsten „Brennerquote“.

Grundsätzlich bestehen für einen Anwender in Deutschland im wesentlichen nur zwei Möglichkeiten, aktuelle Kinofilme zu brennen. Eine Möglichkeit ist das Brennen von gedownloadeten Filmen auf CD’s. Tatsächlich gaben 58 % der Downloader an, daß sie gedownloadete Filme auf CD kopieren. Durchschnittlich kopierte jeder Downloader 9 Titel auf CD’s. Eine andere Möglichkeit besteht darin, gekaufte oder geliehene DVD’s mittels sogen. „Knackprogramme“ auf CD zu brennen.

Bekanntlich stellt der Regierungsentwurf die gewerbliche Verbreitung solcher Programme zukünftig unter Strafe. Es ist allerdings zu befürchten, daß auch in Zukunft zahlreiche Hackertools im Netz kursieren, die eine Umgehung auch neuer verschlüsselter Verfahren ermöglichen. In § 108 b des Entwurfes wird der private Gebrauch von Strafbarkeit ausgenommen und das nicht nur im Hinblick auf Taten zum eigenen persönlichen Gebrauch des Täters und mit ihm persönlich verbundenen Personen, sondern auch dann, wenn sich die Tat lediglich auf einen derartigen Gebrauch bezieht. Damit sind der Piraterie Tür und Tor geöffnet!
Die Verbreitung von sogenannten Umgehungstechnologien, auch ohne Erwerbsinteresse, muß deshalb unter Strafe gestellt werden.

Die GfK-Studie hat eindrucksvoll belegt, daß das Downloaden und Brennen von aktuellen Kinofilmen im letzten Jahr explosiv zugenommen hat. Dieser massenhafte Diebstahl basiert im wesentlichen auf der Nutzung illegaler Vorlagen. Es ist absolut inakzeptabel, daß Downloads von illegalen Vorlagen und das Brennen von illegalen Vorlagen unter die Schranke der privaten Vervielfältigung fallen. Die GfK-Studie hat bewiesen, dass die Nutzer in Deutschland sehr wohl Kenntnis über die Auswertungsphasen von Kinofilmen haben.

Private Vervielfältigungen dürfen nur bei legalen Quellen erlaubt sein.


Wachstum oder starke Einbrüche
Die Bundesregierung darf nicht sehenden Auges einer potentiellen Wachstumsbranche die Geschäftsgrundlage entziehen – und damit dem Staat eine attraktive Steuerquelle. Die Exklusivität unserer Rechte wird uns in atemberaubenden Tempo gestohlen. Das Brennen von aktuellen Kinofilmen und das Downloaden von aktuellen Kinofilmen ist zu einem massenhaften Diebstahl mutiert, die die Kino- und Videobranche extrem gefährden. Müssen erst Hunderte von Videotheken und Kinos in Deutschland schließen, bevor die Bundesregierung aufwacht?

Haushaltsausstattung mit CD Brenner 1998
2 %
  2002

29 %

In diesen Haushalten haben Zugriff auf CD Brenner  
21 Mio. Pers
Auf CD Brenner Zugriff außerhalb des eigenen Haushalts haben weiter  
17,3 Mio. Pers.
Durchschnittliche Dateigröße Spielfilm (90 Min.)  
500 Megabyte
Downloadzeit  
ca. 3 Stunden
Mit Inhalten bespielte CD Rohlinge in 2002  
ca. 515 Mio.
Davon Inhalt Musik
259 Mio.
  Fotos/Video
32 Mio.
  Spielfilm/Kinofilm

59 Mio.

Personen, die downgeloaded haben  
2,4 Mio
Anzahl der Filmdownloads  
15,5 Mio.
Personen, die Filme gebrannt haben  
5,2 Mio.
   

Quelle: FFA/GfK

 

 
Berlin/Wiesbaden, den 07.April 2003

film20 e.V.
Georgia Tornow
Generalsekretärin

SPITZENORGANISATION DER FILMWIRTSCHAFT E.V.
Steffen Kuchenreuther
Präsident


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